Wie digitalisiert sind Deutschlands Schulen?

Digitalisierung Schulen

In den letzten Jahren kam kaum ein Unternehmen oder eine Behörde um das Thema “Digitalisierung” herum. In Bildungseinrichtungen wie Schulen waren umfangreiche Investitionen in die digitale Infrastruktur bis vor kurzem selten zu sehen. Durch lange Entscheidungsprozesse, mangelndes Budget, unentschlossene Entscheidungsträger oder durch interne Widerstände war “Digitalisierung” immer präsent, kam aber meist nicht wirklich an. Die Coronakrise legt große Mängel im deutschen Schulsystem offen. Das “Homeschooling” macht nicht nur aufgrund der technischen Ausstattung, sondern auch wegen der digitalen Kommunikation zwischen den Schülern und Lehrern Probleme. Durch die Krise wird der Digitalisierungsprozess im Bildungssystem nun stark beschleunigt.

#Corona zur Zwangsdigitalisierung

Um die Zahl der Neuinfektionen zu verlangsamen und somit die Versorgung der erkrankten Patienten sicherzustellen, wurden in den letzten Wochen zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Alle Maßnahmen zielten auf die Reduktion von Begegungen sozialer Kontakte und der Entlastung des Gesundheitssystems ab. Eine der ersten großen Maßnahmen war die Schließung aller Kitas und Schulen in Deutschland. Dieser Schritt machte, bei den meisten Schulen, den Mangel an Investitionen in die Digitalisierung deutlich.

#Digitalpakt Schule

Vor einem Jahr (im Mai 2019) stellte eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) fest, dass lediglich in jeder dritten Schule in allen Klassen- und Fachräumen Zugang zu schnellem Internet und WLAN besteht. In Gymnasien waren es 45%. Zudem haben nur etwa ein Drittel aller Schulen mind. einen Klassensatz an digitalen Endgeräten. In fast 20% der Schulen müssen die Schüler bei einigen Lehrern selbst ihre privaten Endgeräte mitbringen. Die Nutzung verschiedener Endgeräte führt zu hohen Anforderungen an die Lehrkräfte, sich mit den verschiedenen Geräten und Systemen auszukennen, um die Schüler bei Problemen unterstützen zu können. Über einen dienstlichen PC verfügten zu dem Zeitpunkt 19% der Lehrer. Über eine dienstliche E-Mail Adresse immerhin 47%, wobei 37% der befragten 1232 Schulleiter angaben, dass kein Lehrer über eine dienstliche E-Mail Adresse verfügt. Trotz des “Digitalpakt Schule” dürfte sich bis zum Beginn der Coronakrise nur wenig geändert haben.

#DSGVO – „Kennen wir nicht“

Schulen, die in den vergangen Jahren in die digitale Infrastruktur investierten, hatten mit der Umstellung ins “Homeschooling” auch Probleme, allerdings weitaus weniger als Schulen ohne Investitionen. Durch die zahlreichen E-Mails, die von Lehrern an ihre Schüler mit Lehrmaterialien versendet wurden, sind beispielsweise an einigen Schulen die Server zusammengebrochen. Die Server waren für solche Datenübertragungsmengen nicht ausgelegt, wodurch viele Lehrer die E-Mails über ihre privaten E-Mail Adressen versendeten, wenn sie überhaupt über eine dienstliche verfügten. Gleichzeitig sollten die Schüler ihre Ergebnisse per E-Mail oder andere Kanäle wie z.B. WhatsApp an ihre Lehrer zurückschicken. Dieses, nicht DSGVO konforme Vorgehen, stellte zwar eine Lösung für das akute Problem dar, hätte aber durchaus vermieden werden können. 

Da die meisten Schulen für die Umstellung ins “Homeschooling” nicht vorbereitet waren, lag es an einzelnen engagierten Lehrkräften und Eltern vorübergehende Lösungen zu schaffen.

#müssen sich die Lehrkräfte um die digitale Infrastruktur kümmern?

Laut der Forsa-Umfrage kümmerten sich in 62% der Schulen Lehrkräfte, um die Sicherheit, Stabilität und Aktualisierung der IT-Ausstattung, in 52% IT-Fachpersonal aber nur an 4% der Schulen externe Dienstleister. Zum Bildungsauftrag der Lehrkräfte gehört unserer Meinung nach auf keinen Fall die digitale Infrastruktur. In dem Verzicht auf externe Dienstleister und dem damit verbundenen Mangel an professionell geschulten IT-Fachleuten, sehen wir eine große Schwachstelle bezüglich der digitalen Infrastruktur in Schulen. Mittlerweile (durch Corona) haben viele Schulen nachgerüstet. Neue Plattformen integriert, um Daten zu übermitteln, Server erweitert und teilweise komplette Studios in Schulen errichtet, damit dort Lehrkräfte ihre Unterrichtsstunden aufnehmen oder direkt übertragen können. Teilweise zeigen sich Schulen sehr kreativ in diesen Zeiten, wie z.B. diese Schule,  die mit  ihrer „Late-Night-Show“ eine Art  „digitalen Pausenhof“ für mehr Schulgemeinschaft schaffen will. Allerdings mangelt es in Deutschland noch stark an digitalen Präsenzunterrichtsstunden. Im aktuellen “Schul-Barometer” des Instituts für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie (IBB) der Pädagogischen Hochschule Zug (Schweiz) wurden 7116 Personen, wie bspw. 655 Schulleiter, in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum aktuellen digitalen Bildungsangebot befragt. Insgesamt gaben rund 50% der deutschen Schulmitarbeiter an, keine einzige digitale Präsenzunterrichtsstunde pro Woche vereinbart zu haben. Im Vergleich lag dieser Wert in Österreich bei 30% und in der Schweiz bei 33%. 

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#das steht so im Lehrplan

Dies zeigt sich auch in einer Befragung des Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bis zum 6. April, die sich mit den schulischen Aufwendungen von Schülern der Sekundarstufe II während der Corona bedingten Schulschließungen beschäftigt. Dabei wurde ersichtlich, dass die meisten Schulen und Lehrer verschiedene Kanäle nutzen, um ihre Schüler auf die bevorstehenden Abschlussprüfungen vorzubereiten. Der Austausch findet dabei hauptsächlich über E-Mail und Online-Plattformen statt. Die Umfrage des IBBs stellte dazu fest, dass 66% der Schulen bei den Kommunikationsmedien auf die E-Mail setzen, gefolgt von Mobiltelefonen, der Website und Online-Plattformen. Dem IAB gaben 47% der Schüler dabei an, mehrmals wöchentlich und weitere 47% mind. einmal wöchentlich Lehrmaterial bereitgestellt zu bekommen. Lediglich sechs Prozent erhalten seltener Aufgaben und Material. Dies bedeutet, dass 94% der Schulen, zumindest für die Oberstufe, eine “Homeschooling-Lösung” gefunden haben. Aber wie kommt das bei den Schülern an?

Während die Lehrer auf diesem Weg versuchen, den Lehrplan in der vorgegebenen Zeit einzuhalten, nutzen viele Schüler die Zeit Zuhause für andere Dinge. Die Befragung des IAB ergab, dass 37% der Schüler unter der Woche, weniger als zwei Stunden täglich mit der Bearbeitung schulischer Aufgaben oder digitalem Unterricht zu verbringen. Nur 27% der Schüler bringen täglich mehr als vier Stunden für die Schule auf. Unserer Meinung nach verdeutlichen diese Zahlen, dass es vielen Schülern auch an Selbstdisziplin und das die Fähigkeit des selbständigen Lernens nur mangelhaft bislang auf den Weg gegeben wurde. Des Weiteren sollten die verschiedensten Lerntypen beachtet werden. Beispielsweise fällt es einem Schüler, der ein kommunikativer Lerntyp ist schwerer alleine Zuhause zu lernen, als einem medienorientierter Lerntyp. Besonders audiovisuelle Lehrmaterialien helfen mehr Schülern, als die einfach Übersendung von Buchkapiteln und dazugehörende Aufgaben.

#150€ und die Welt gehört dir

Die Coronakrise und die damit verbundenen Schulschließungen sind auch für die Schüler eine Herausforderung. Dies zeigt sich auch in der Befragung des IAB. Dabei gaben 45% der Schüler an, sich große oder sehr große Sorgen darüber zu machen, dass sich die Schulschließungen negativ auf ihre Schulleistungen auswirken. Gleichzeitig müssen auch die Lehrer den Umgang mit der digitalen Lehre erst lernen. In der Forsa-Umfrage vom Mai 2019 gaben 72% der Lehrer an, sich die notwendigen Kenntnisse für den digitalen Unterricht selbst beigebracht zu haben. 65% konnten auf Fort- und Weiterbildungen und 58% auf die Unterstützung von Kollegen zurückgreifen.

Die digitalen Angebote von Schulen können noch so umfangreich und professionell sein, wenn es den Schülern Zuhause an der Unterstützung der Eltern (z.B. durch schnelles Internet) und den notwendigen Endgeräten mangelt, haben die Schüler keine Chance etwas zu lernen. Das IBB stellte dazu fest, dass nur etwas mehr als die hälfte der befragte Schulmitarbeiter alle Schüler Zuhause erreichen konnten. 8% der Mitarbeiter gaben an, dass sie 50-100% der Schüler nicht über digitale Kommunikationswege erreicht haben. Bei 14% der Mitarbeiter lag die Einschätzung bei 25-50% und bei weiteren 26% der Mitarbeiter bei 10-20%. Dazu beschloss die Koalition inzwischen finanzielle Unterstützung von digitalen Unterricht. Union und SPD haben dabei beschlossen, das “Homeschooling” mit 500 Millionen Euro zu unterstützen. Dabei sollen Schulen bedürftige Schüler bei der Beschaffung notwendiger Endgeräte mit 150€ unterstützen. …mit 150€. Aber das wäre an dieser Stelle zu viel, wenn wir noch über soziale Ungleichheit schreiben, oder? 

Online Vorlesung

Die Coronakrise hat viele Bildungseinrichtungen wie z.B. Schulen aufgezeigt, wie wichtig Digitalisierung tatsächlich ist. Zukünftig werden viel mehr Investitionen in die digitale Infrastruktur getätigt werden und vielleicht sogar neue Lehrkonzepte entwickelt, dass vielleicht auch “Homeschooling” für einzelne Fächer eine attraktive Alternative zum klassischen Frontalunterricht darstellen könnte. Gleichzeitig muss die Digitalisierung auch im privaten Bereich bei den Schülern und Eltern vorangetrieben werden.

Was meinst du? Werden Schulen nach der Coronakrise digitaler sein oder bleibt alles beim alten? Was wären für dich interessante alternative Lehrkonzepte gewesen?

 

Lernt fleißig, 
Jan & Thanh

Jan Weber
Thanh Pham

2 thoughts on “Wie digitalisiert sind Deutschlands Schulen?

  1. Kleine, aber wichtige Korrektur: niemand wollte je wirklich die Reduzierung sozialer Kontakte. Tatsächlich ging es um die Reduzierung physische Kontakte.
    Wenn wir wirklich die sozialen Kontakte reduzieren wollen, bräuchten wir ja gar keine so große Mühe in die Digitalisierung zu stecken, um darüber in Kontakt bleiben zu können. Es wäre schön, wenn dieser kleine, aber feine Unterschied auch endlich mal bei den digitalen Medien ankommt und dort auch so kommuniziert würde.
    Und bitte kommen Sie nicht mit der Ausrede: „Die Leser wissen ja schon, was wir meinen.“

    1. Vielen Dank für den Hinweis. In diesem Zusammenhang sprechen wir in der Tat von Einschränkungen physischer Kontakte, welche sich besonders auf das Zusammentreffen im sozialen Umfeld bemerkbar machen. Der medial verwendete Begriff „Social Distancing“ ist eher unzutreffend und missverständlich zu interpretieren. Besonders in diesen Zeiten kann durch die Digitalisierung im Bildungsbereich, z.B. durch den Einsatz digitaler Technologien, auch das soziale Miteinander aufrecht erhalten werden.

      Viele Grüße
      Die Smart WG

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